Bericht aus dem Ökogarten
Von meinem Freund, dem Birnbaum
Dieser Bericht aus dem Ökogarten müsste eigentlich mit Trauerrand erscheinen, geht es doch um das Hinscheiden des von mir so geliebten großen Birnbaumes in unserem Garten.
Als wir 1992 unser Grundstück in Falkensee erwarben, gab es im Garten einen großen Birnbaum und eine alte Birnbaumruine. Und da ich nun einmal kein Apfelfreund bin, dafür aber Birnen um so mehr liebe, schloss ich den Birnbaum gleich in mein Herz, obwohl der Garten als ganzes ja eher das Herz meiner Frau höher schlagen ließ, sah sie doch schon all die vielen Gestaltungsmöglichkeiten vor ihrem inneren Auge. Der Birnbaum sah damals etwas ungepflegt aus, aber das ließ sich ja ändern und tat der Zuneigung keinen Abbruch. Ich hatte gerade von einem Kollegen etwas von der Notwendigkeit gehört, Wasserschösslinge zu entfernen. Als das umgehend erworbene Gärtnerbuch über das Beschneiden von Obstbäumen dies bestätigte, machte ich mit der neu angeschafften langen Leiter im Frühjahr daran, die Krone zu beschneiden. Die Obstbaumblüte hat mich dann für all die Mühe entschädigt, welch eine Pracht! Und Birnen gab es auch zu ernten, mit dem extra gekauften Obstpflücker. Mit den Jahren blieb zwar die herrliche Obstblüte, aber es wurden immer weniger und immer kleinere Früchte. Irgendwann habe ich dann auch aufgehört, die Wassersprösslinge zu beschneiden, ganze Äste starben ab, dem Baum ging es gar nicht gut, und mir auch nicht.
Meine Frau, die Gärtnerin an meiner Seite, wusste zunächst auch keinen Rat, bis sie die gelben Punkte auf den Blattoberseiten Anfang Mai entdeckte und nach Studium ihrer schlauen Bücher erklärte, dass der Baum vom Birnengitterost befallen sei. Oh je, was war denn das nun schon wieder, und warum gerade mein geliebter Baum?
Also, erklärte sie mir, der Birnengitterrost ist ein Pilz, der die Photosyntheseleistung der Blätter schwächt und bei mehrfachem Befall eines Blattes sogar dazu führt, dass dieses abfällt, und damit dem Baum schadet. Mein Baum hat von Jahr zu Jahr immer mehr Blätter schon im Sommer abgeworfen und sah immer trauriger aus. Auch mein Versuch, die Blätter immer gleich aufzusammeln und zu vernichten, hatte keinen Erfolg. Kann ja auch gar nicht, sagte meine Frau, weil der Birnbaum nur Zwischenwirt für den Pilz ist. Die eigentliche Wirtspflanze ist der Wacholder. Aber nicht alle Wacholder , wie sie gleich hinzufügte. Betroffen ist nicht der gemeine Wacholder (Juniperus communis) sondern vor allem die Zierwacholder (Juniperus chinensis), die alle diejenigen so lieben, die Angst vorm Laubeinsammeln haben und immergrüne Pflanzen vorziehen. Hier sollte man allerdings nicht verschweigen, dass es auch unter denen weniger anfällige und einige resistente Sorten gibt. Genaueres dazu erfährt man unter anderem im Merkblatt 41 vom Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. ( www.kleingarten-bund.de/publikationen). Der Übeltäter, mit Namen Gymnosporangium sabinae, ist also ein Wirtswechsler. Den Winter verbringt er auf dem Wacholder. Im Frühjahr entlassen die gelbbraunen zapfenförmigen Sporenlager in mehreren Schüben sofort keimfähige Sporen. Das geschieht bis in den Mai hinein. Der Wind trägt sie dann über Entfernungen bis zu 1000 m auf die jungen Birnbaumblätter und infiziert diese damit. Dort bilden sich dann zunächst die gelben Flecken auf den Blattoberseiten und später an den Unterseiten warzenähnliche Höcker, aus denen im September wieder Sporen freigesetzt werden, die zurück zum Wacholder gelangen, wo dann der Kreislauf von neuem beginnt.
Nun ist es nicht wirklich tröstlich für mich, dass ich inzwischen weiß, dass sich der Birnengitterrost nahezu deutschlandweit ausgebreitet hat und in Hausgärten fast überall präsent ist und dadurch Birnenbäume in ganzen Regionen wertlos werden und absterben, aber immerhin brauch ich mich am Zustand meines Baumes nicht mehr schuldig zu fühlen. Übrigens schadet der Pilz auch den befallenen Wacholderpflanzen, aber, was ist ein Zierwacholder im Vergleich zu meinem Birnbaum?
Der erste Versuch, einen neuen Birnbaum zu pflanzen ist längst fehlgeschlagen, die wenigen Blätter, die er im ersten Jahr hatte, waren schnell dahin und so hat er nur zwei drei Jahre dahingekümmert bis wir ihn aufgeben mussten. Auch die Hoffnung, dass es vielleicht inzwischen schon resistente Sorten gibt wurde neulich in der Baumschule enttäuscht, zehn Jahre müsste ich da wohl noch mindestens warten, hieß es.
Was bleibt zu tun, wenn Falkensee nicht endgültig zur birnbaumfreien Zone werden soll, auf dem besten Wege dazu sind wir nämlich längst, wie mir viele Gartenfreunde bestätigt haben, die vom Schicksal meines Birnbaumes gehört hatten. Man müsste wohl an die Zierwacholder ran und sie rigoros ausrotten, damit die Wirtskette wirksam unterbrochen wird. In Berlin, so habe ich gehört, gibt es schon Kleingartenkolonien, die diesen Weg gehen und das Pflanzen von Zierwacholder verbieten. Einem Gerücht will ich noch entgegentreten. Der Birnengitterrost ist nicht ein Folge der Wende, in deren Gefolge verstärkt Zierwacholder angeboten und gepflanzt wurden. In ganz Deutschland tritt der Befall seit 1993 verstärkt auf, warum auch immer.
Also liebe Birnenfreunde lasst uns gemeinsam überlegen, was zu tun ist. Vielleicht kann das Grünflächenamt der Stadt ja die Initiative ergreifen und zu einem Gespräch einladen. Schön wäre so etwas, und einer Gartenstadt wahrlich würdig, meine Damen und Herren von der Verwaltung. Ich bin gespannt.
Wolfgang Levin