Zum guten Hirten?
Problematischer Kita-Neubau in Falkensee
Die evangelischen Kirchengemeinden Falkensees planen eine weitere Kita zu errichten. Zum guten Hirten soll sie heißen. Das Projekt wurde im zweiten Anlauf am 6. März vom Bauausschuss einstimmig befürwortet.
Zuvor hatten sich die Fraktionen von SPD, CDU und den
Grünen dafür ausgesprochen. Pädagogen zeigen sich vom Gebäudekonzept des Architekten angetan. Die neue Kita verfolgt ein offenes Konzept. Das heißt, die Kinder haben weit gehende Freiräume zu entscheiden, womit sie sich in der Kita beschäftigen möchten. Sie haben dabei zwar weiterhin eine Erzieherin, die für das Wohlergehen des einzelnen Kindes verantwortlich ist, doch in der Kita gibt es nicht mehr die traditionellen Gruppenräume. An deren Stelle treten thematische Räume, in denen den Kindern bestimmte Tätigkeitsfelder erschlossen werden. Es gibt u.a. Räume für Malen und Werken, Bauen und Konstruieren, Forschen, Beobachten und Ruhen. Für die ganz Kleinen gibt es einen Raum für die Krippe. Sogar eine Kinderküche soll es geben.
Bei aller Freude darüber, dass in Falkensee eine weitere, zudem so zeitgemäße Kita entstehen soll, gibt es auch bedenklich stimmende Argumente gegen das Projekt. Es soll nämlich an der Bahnhofstraße, auf einer der beiden „Schäfchenwiesen“, schräg gegenüber dem Bio-Backhaus errichtet werden. Also an einer der am meisten befahrenen Straßen in Falkensee.
Da sich bei einem offenen Konzept die Kinder erfahrungsgemäß viel im Freien aufhalten, wären sie damit ungeschützt dem Verkehrslärm, den Autoabgasen und dem Feinstaub ausgesetzt.
Im Kita-Gesetz des Landes Brandenburg wird ausdrücklich ausgeführt, dass die Lage einer Kita ihren Aufgaben und Zielen genügen muss. Dazu gehört in § 3 die Aufforderung an die Kitas, den Kindern „einen nach ökologischen Gesichtspunkten gestalteten Lernort zu bieten“. Wie soll das geschehen, direkt an einer Hauptverkehrsstraße?
In Brandenburg gibt es keine konkreten Ausführungsbestimmungen zur Lage einer Kita. Anders als z.B. in Sachsen. Dort hat man Kitas an verkehrsreichen Straßen faktisch ausgeschlossen. Das war in Falkensee bislang ebenso. Die Integrationskita an der Ecke Nauener Straße/Ruppiner Straße war die erste Ausnahme von dieser Selbstverständlichkeit.
Ein wirksamer Schallschutz für den Außenbereich der Kita ist an dieser Stelle nicht möglich. Es bliebe die Ausweisung der Bahnhofstraße auch in diesem Abschnitt als Tempo 30-Zone, für die auch unabhängig vom Kita-Bau vieles spricht.
Hinzu kommt, dass in unmittelbarer Nähe der Kita eine Autowerkstatt angesiedelt ist. Es gibt ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass Kinder, die in der Nähe einer Tankstelle/Autowerkstatt aufwachsen, einem erhöhten Risiko des Erkrankens an Leukämie ausgesetzt sind.
Es ist erst 11 Monate her, da haben sich unsere Stadtverordneten für den Entwurf des Büros Kleyer & Koblitz zur Entwicklung des Stadtzentrums ausgesprochen. Damit haben sie sich auch dafür entschieden, dass auf dem gesamten Grünzug, auf dem jetzt die Kita gebaut werden soll, einmal ein Stadtgarten entsteht.
Inzwischen haben sich die aktuellen Bedingungen für die Entwicklung des Stadtzentrums verschlechtert. Übrig geblieben ist nur noch ein Sanierungsgebiet, das vom Bahnhof bis zur Seegefelder Kirche reicht. Damit fehlen bis auf weiteres die Mittel, die erforderlich sind, um die Datschen und die Gewerbebetriebe, die sich auf dem Gelände des zukünftigen Stadtgartens befinden, umzusiedeln. Würde jetzt auch noch die Kita an der geplanten Stelle gebaut, bliebe von dem Grünzug nur noch eine Wiese übrig. Ist das Stadtplanung?
Befürworter des Standortes loben das Engagement der ev. Kirche. Schließlich würde sie auf eigene Kosten Kapazitäten bereitstellen, die in Falkensee gebraucht würden. Doch auch dieser Punkt scheint fragwürdig, denn Neubauten von dieser Dimension, es geht um 90 Plätze, sollten nicht auf der Basis des aktuellen, sondern unter Berücksichtigung des zu erwartenden Bedarfs geplant werden. Auf der Basis der Bevölkerungsprognose, die 2004 im Auftrag der Stadt erstellt worden ist, muss man aber davon ausgehen, dass von 2003 bis 2018 die Zahl der Kinder unter 6 Jahren um 23% zurückgehen wird. Zudem hat die SVV am 25.1. das Projekt „Sport-Kita“ mit 180 Plätzen befürwortet. Andernorts, nicht nur in Brandenburg, werden überflüssige Kita-Kapazitäten abgebaut. In Falkensee plant man weiterhin auf Zuwachs. Obwohl die Zahl der Kinder nur noch zwei Jahre lang ansteigen wird, dann aber kontinuierlich zurück geht.
Als ein weiterer Standortvorteil der Bahnhofstraße wird die Nähe zwischen Pfarrhaus und Kita angesehen. Ein fragwürdiges Argument. Denn üblicher Weise ist nicht die Nähe zum Pfarrhaus entscheidend, sondern zur Kirche, in der erfahrungsgemäß Familiengottesdienste und besondere Kita-Veranstaltungen durchgeführt werden. Doch der Bauplatz an der Bahnhofstraße liegt im Verhältnis zur Falkenhagener Kirche nicht nur auf der „falschen“ Straßenseite, er ist auch noch relativ weit von der Kirche entfernt.
Falsch ist die Annahme, die neue Kita würde die vorhandene Kita der Seegefelder Kirchengemeinde ersetzen, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Zustimmung zum Standort an der Bahnhofstraße auch auf falschen Voraussetzungen beruht. Nicht für die Seegefelder Kirchengemeinde soll gebaut werden, sondern für die Falkenhagener.
Der Bauausschuss hatte bei der erstmaligen Behandlung der Kita am 6. Februar Zweifel am geplanten Standort an der Bahnhofstraße angemeldet und den Bauherren gebeten, alternative Standorte für die Kita zu benennen. In der Sitzung am 6. März ist die Stadtverwaltung diesem Wunsch nachgekommen und hat zwei Grundstücke gezeigt, die sich ebenfalls im Eigentum der Kirchengemeinde befinden. Eines davon in unmittelbarer Nähe der Falkenhagener Kirche, südlich der Freimuthstraße und abseits gelegen.
Erstaunlich nur, dass darauf überhaupt nicht eingegangen wurde. Zwar würde sich das Bauvorhaben an dieser Stelle voraussichtlich verzögern. Eine Kita an diesem Standort hätte aber den unschätzbaren Vorteil, dass er lärmgeschützt wäre, am Rande eines unverbauten Grünzuges liegen würde, ohne der Idee des Stadtgartens zu widersprechen.
Im Zusammenhang mit dem geplanten Naubau wurde im Bauausschuss auch spekuliert. So wurde vermutet, dass der Kirchengemeinde Falkenhagen im Gegenzug zu ihrer neuen Kita die Perspektive eröffnet werde, dass Ackerland im Bereich des Falkenhagener Angers in Bauland umgewidmet wird. Das würde zu wesentlichen Einnahmen der Kirchengemeinde führen, aus denen dann auch die Investition für die Kita finanziert werden könnte. Doch das wäre nur ein „Kuhhandel“, so der Stadtverordnete Sielaff. Aber nicht der ist gefragt, sondern eine verlässliche Stadtplanung, die nicht nur das Hier und Heute im Blick hat, sondern auch langfristige Perspektiven. Die aber würden durch den Neubau an der Bahnhofstraße auf Dauer stark beeinträchtigt. Ohne Not und zu Lasten der Kinder. Denn es gibt Alternativen. Unsere Kinder und unsere Stadt haben es nicht verdient, dass durch voreilige Beschlüsse ein irreparabler Schaden entsteht.
Dietmar Zielke