Wachstum mit Folgen oder Konsolidierung
Kommunalpolitische Zwischenbilanz, Teil 1 (04-2006)
Falkensee: Im Herbst 2008 sind die nächsten Kommunalwahlen. Genau die Hälfte auf dem Weg dorthin ist Ende April 2006 erreicht. Zeit für eine Zwischenbilanz. Welche kommunalpolitischen Themen wurden in der ersten Hälfte der Legislaturperiode diskutiert und entschieden? In welche Richtung hat sich unsere Stadt entwickelt?
Die Wähler hatten uns am 26.10.2023 einen politischen Kurswechsel beschert. Nicht mehr die SPD war aus den Wahlen als stärkste Kraft hervorgegangen, sondern die CDU. Sie hatte in der Gunst der Wähler um 14,6% zugelegt, die SPD musste einen Stimmenrückgang von 17,6 % verkraften. Die CDU musste allerdings Bündnispartner finden und hat schließlich zusammen mit den Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen und dem ABÜ die so genannte Zählgemeinschaft vereinbart. Oppositionsführer wurde der eindeutige Sieger der Kommunalwahl, Roger Lewandowski. Zum Vorsitzenden der SVV wurde Thomas Fuhl (ebenfalls CDU) gewählt.
Die neuen Mehrheitsverhältnisse in der SVV hatten ihre erste Bewährungsprobe bei der Festlegung der Mindestgrundstücksgrößen, mit der man die Teilung von Grundstücken erleichtern aber auch erschweren kann.
Hier konnte sich die Zählgemeinschaft nach heftigem Ringen durchsetzen und verhindern, dass auch kleinere Grundstücke geteilt werden dürfen. Falkensees Charakter als Gartenstadt sollte nach Möglichkeit gewahrt bleiben, denn eine verdichtete Bebauung geht zwangsweise zu Lasten der Grünflächen und des Baumbestandes.
Der Erhalt von Straßenbäumen, ja des Baumbestandes schlechthin, war, wie auch zuvor schon beim Ausbau der Bahnhofstraße, in der ersten Hälfte der Legislaturperiode ein häufig wiederkehrender Streitpunkt in der SVV. Entlang der Nauener Straße mussten Bäume wegen der neuen Gehwege gefällt werden, jüngst beschäftigte das Thema unsere Stadtverordneten im Zusammenhang mit dem zentralen Radweg am Rande des Gutsparks erneut. Während sich bei diesen Straßenbauprojekten noch die Geister schieden, stieß die Kritik an der zunehmend um sich greifenden Rodung ganzer Grundstücke auf heftige Kritik aller Fraktionen. Diese, auf Grundlage des Waldgesetzes mögliche Praxis, beschäftigte Bürger und Stadtverordnete gleichermaßen. Die wollen jetzt durch ein Schreiben den Landtag zu einer Gesetzesänderung bewegen und erreichen, dass die städtischen Baumschutzsatzungen zum Zuge kommen, die solchen Kahlschlag verhindern.
Die anhaltende private Bautätigkeit im Stadtgebiet ist in den vergangenen Jahren nicht zu übersehen gewesen. Viele Baulücken wurden geschlossen, häufig wurden Eckgrundstücke bebaut, die vormals eine gewisse Großzügigkeit im Stadtgebiet bewirkt haben. Es wird enger. Die Zahl der Häuser nimmt zu, die Grünflächen werden kleiner, die Zahl der Bäume nimmt ab, und die Wertigkeit des Baumbestandes geht zurück.
Politische Schwergewichte waren in der ersten Hälfte der Legislaturperiode drei Themen: Die Nordumfahrung, die Bewerbung Falkensees um die Ausrichtung der Landesgartenschau 2009 (Laga) und die Zentrumsentwicklung. Zu Beginn der Legislaturperiode gab es Anzeichen dafür, dass die Nordumfahrung zwar beschlossen war, aber wegen Geldmangels auf die lange Bank geschoben sei. Doch der Schein war trügerisch. Die Planungen gingen weiter, eine erneute Abstimmung in der SVV brachte eine Bestätigung für dieses so heftig umstrittene Projekt. Seit einiger Zeit ist es wieder wahrscheinlicher geworden, dass die Nordumfahrung tatsächlich gebaut wird. Von vielen wird sie herbeigesehnt, von anderen wird die davon erhoffte Entlastung der betroffenen Straßenzüge als Illusion bezeichnet.
Aus dem Hut der Bauverwaltung wurde zu Beginn der Legislaturperiode die Bewerbung Falkensees um die Ausrichtung der Laga gezaubert. Der publizistische Aufwand war enorm, der dazu getrieben wurde. Doch die eher als kommunalpolitische Posse mit karnevalistischen Einlagen inszenierte Bewerbung, die ohne sichtbare Anteilnahme der Bevölkerung durchgeführt wurde, hat in Potsdam doch nicht so recht Anklang gefunden, eher zu Kritik herausgefordert. Ausgewählt wurde Oranienburg, Falkensee hatte das Nachsehen.
Die Zentrumsentwicklung hat Falkensees Kommunalpolitiker auch in den ersten 2 1/2 Jahren der laufenden Legislaturperiode beschäftigt. Sehr intensiv sogar. Ein städteplanerischer Wettbewerb wurde durchgeführt und zu Gunsten eines Entwurfs entschieden, der eine Belebung des Zentrums in Bahnhofsnähe durch Ansiedlung von Betrieben herbeiführen wollte. Zudem sollte eine Wohnbebauung an der Akazienstraße und am Rand der Luchgärten zu einem Anstieg der Bevölkerung im Zentrum führen. Dabei sollte durch eine Aufwertung sowohl des Seegefelder als auch des Falkenhagener Angers (der ebenfalls zum Zentrum gerechnet wurde), zugleich der dörfliche Ursprung Falkensees erhalten, ja wieder zum Vorschein gebracht werden. Die nicht zur Bebauung vorgesehenen Flächen der Luchwiesen sollten zu einem Stadtgarten werden, der eine grüne Verbindung von der Seegefelder Kirche über den Gutspark, den Luchwiesen bis zu der landwirtschaftlich genutzten Fläche zwischen Spandauer und Seegefelder Straße gereicht hätte.
Aber auch mit diesen Planungen ist Falkensee vorerst gescheitert. Zwar erhält die Stadt Fördermittel, doch nur aus einem Brachflächenprogramm. Das für die Sanierung bestimmte Gebiet wurde wesentlich verkleinert. Es reicht nur noch vom Bahnhof bis zur Seegefelder Kirche. Soweit die Planung.
Die Wirklichkeit, die wir Bürger wahrnehmen, hat damit nichts zu tun. Denn tatsächlich nachvollziehbar geändert, und zwar eindeutig zum Positiven, hat sich der Falkenhagener Anger, der gar nicht zum Sanierungsgebiet gehört. Hier wurden störende Bauruinen entfernt. Bald soll die entstandene Freifläche bis zum Angerteich begrünt werden. Im Zentrum hingegen hat die Sanierung bislang noch nicht begonnen.
Wachstum mit Folgen oder Konsolidierung
Kommunalpolitische Zwischenbilanz, Teil 2 (05-2006)
Wachgerüttelt wurde das politische Falkensee am Morgen des 27. Januar 2005. Unbekannte Täter hatten das Mahnmal am Geschichtspark geschändet. Diese Tat hat in der Stadtverordnetenversammlung eine Reihe von Aktivitäten entfaltet. Auf Initiative der SPD-Fraktion hat die SVV eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. Danach hat die SVV auf Antrag der Linkspartei-PDS eine Namensergänzung für den Geschichtspark beschlossen. Damit wird in Falkensee erstmalig und unmissverständlich schon durch die Namensgebung „Gedenkstätte KZ-Außenlager“ an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte erinnert. Schließlich hat die CDU-Fraktion im Anschluss an die Namensergänzung sich dafür eingesetzt, dass in Zukunft alle Falkenseer Schüler sich damit auseinandersetzen sollen, was an diesem Ort einst Menschen angetan wurde.
Kommunalpolitik bedeutete in den vergangenen 2 1/2 Jahren auch die lieb gewordene Beschäftigung mit einigen Themen von eher symbolträchtiger Art. Hier sei an das Hexenhaus in Finkenkrug erinnert, dessen Erhalt der CDU-Fraktion so sehr am Herzen gelegen hat, dass sie wiederholt die SVV damit beschäftigt hat. Der Erhalt der Regionalbahn R 10 ist für viele Menschen, nicht nur in Falkensee, ein sehr wichtiges Anliegen. Immer wieder hat die CDU-Fraktion dieses Thema zur Sprache gebracht, wohl wissend, dass andernorts die Entscheidungen darüber gefällt werden. Der Havelländer Weg darf nicht vergessen werden. Um ihn ist eine Art Stellvertreterkrieg geführt worden. Es wurde erbittert darum gestritten, ob er schon vor dem Bau der Nordumfahrung zu einer passablen Verbindung ausgebaut werden soll oder nicht.
Der Kampf gegen Farbschmierereien war ein besonderes Anliegen der CDU-Fraktion, die dazu einen Satzungsentwurf eingebracht hat. Er wurde verabschiedet. Eine Überprüfung, ob er zu dem erhofften Ergebnis geführt hat, ist noch nicht beschlossen.
Deutlich ist in den vergangenen Jahren aber auch ein beachtlicher Modernitätsrückstand in Teilen unserer Verwaltung geworden. Der nicht normgerechte und für Grundstückseigentümer preiswertere Anliegerstraßenbau wird in Nachbargemeinden längst praktiziert. Der Radwegebau unterscheidet sich sichtbar von dem unserer Nachbarn, und zwar zu Ungunsten Falkensees. In der Zentrumsplanung waren so gut wie alle Städte Brandenburgs erfolgreicher als Falkensee.
Dafür gibt es Erklärungen. Mit Sicherheit auch die exponierte Lage unserer Stadt im Speckgürtel Berlins. Nur liegen in diesem Gürtel viele Städte, die ein gänzlich anderes Erscheinungsbild bieten, als unser Zentrum. Vielleicht liegt es auch daran, dass unsere Verwaltungsspitze zu sehr auf die Wirksamkeit von PR-Arbeit vertraut und dabei neue Entwicklungen in Kommunalpolitik und -verwaltung aus dem Blick verloren hat.
Die erste Hälfte der laufenden Legislaturperiode lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Bedeutende Projekte der Stadtverwaltung, die Laga-Bewerbung und die Zentrumsentwicklung, sind entweder gänzlich gescheitert oder können nur ansatzweise und zu einem späteren Zeitpunkt in Angriff genommen werden. Die parlamentarische Arbeit in der SVV und in den Ausschüssen war, trotz bestehender Gegensätze, vom Willen zum Konsens geprägt.
An ihre Grenzen stößt dieser Kosens bei Grundsatzfragen über den zukünftigen Charakter Falkensees. Hier gibt es zwei Lager, manchmal auch durch die Fraktionen hindurch. Die einen wollen ein lebendiges Zentrum mit einer intensiven Besiedelung mit Betrieben. Sie setzen auf Wachstum und betonen die Notwendigkeit der Freigabe von bislang landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Wohnbebauung. Die anderen sehen eher die Folgelasten für die Stadt, die eine Bebauung von Grünflächen notwendiger Weise nach sich ziehen würde. Sie möchten den eigenständigen Charakter der beiden Ortskerne von Seegefeld und Falkenhagen wieder deutlich werden lassen.
An der Form der Bahnverbindung zwischen Falkensee und Berlin scheiden sich ebenfalls die Geister. Die einen setzen auf Erhalt der Regionalbahn, die anderen fordern den S-Bahn-Anschluss. Eine Fraktion ist kompromisslos für die Nordumfahrung, das andere Lager ist in diesem Punkt gespalten.
Diese drei Themen scheiden in Falkensee die politischen Lager. In der anstehenden Entscheidung über die Zukunft unseres Bürgermeisters personalisieren sich diese Differenzen. Es spricht vieles dafür, dass eine Verlängerung der Amtszeit des Bürgermeisters die Kräfte stärken würde, die auf Wachstum, S-Bahn und Nordumfahrung setzen. Die andere Position folgt den Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung unserer Stadt, die ein nahes Ende des bislang verzeichneten Bevölkerungszuwachses vorhersagt. Dadurch ergibt sich eher die Perspektive des Konsolidierens in der Bautätigkeit durch Schließung der Baulücken ohne Ausweisung neuer Bauflächen. Zudem legt diese Position großen Wert auf Pflege und Erhalt der Grünflächen auf städtischem Gebiet. Wachstum oder Konsolidierung. Zwischen diesen beiden Polen wird sich Kommunalpolitik in den nächsten Jahren bewegen. Für Wachstum steht die SPD, auf Konsolidieren setzt die Zählgemeinschaft.
Dietmar Zielke