„Umweltschutz bleibt Umweltschutz“
Von der Scheinheiligkeit eines Energieriesen...
Kein Berliner soll der medialen Dauerberieselung entgehen. Aus BEWAG wird nun vom 1.1.2024 an Vattenfall Europa Berlin, so vermelden es Briefe des traditionsreichen ehemaligen Berliner Stromerzeugers BEWAG, deren Wurzeln bis in das Jahr 1884 zurückreichen.
Plakatwände allerorten, sowie Rundfunk und Fernsehen verbreiten diese frohe Werbebotschaft. Ähnliches geschieht in Hamburg. Dort gehen die Hamburger Elektrizitätswerke in Vattenvall Europa Hamburg auf. Der schwedische Konzern dokumentiert so seinen Expansionswillen im Energiemarkt Europas.
Ein Expansionsstreben des drittgrößten Energieerzeugers des Landes (hervorgegangen aus der Fusion der Energieunternehmen BEWAG, HEW, VEAG und LAUBAG) ganz anderer Natur hat den Konzern zu einem der größten Grundbesitzer Deutschlands gemacht.
„Umweltschutz bleibt Umweltschutz“. Wer wie auf dem Fischmarkt um Kunden wirbt, der hat wohl nur das Beste seiner Kundschaft im Sinn das Geld. Vor einigen Tagen mussten mit den Domains, die letzten durch den Bergbau in der Lausitz enteigneten Bewohner des kleinen Dörfchens Horno weichen. Kurz vor ihrer Haustür stand schon das große Schaufelrad des Kohlebaggers. Jahrelang versuchten Einwohner und Umweltschutzverbände auf die schützenswerten Lakomaer Teiche, einer etwa 200 Jahre alten Kulturlandschaft im Landschaftsschutzgebiet Peitzer Teichlandschaft hinzuweisen.
Mehr als 100 auf der Roten Liste stehenden bedrohte Pflanzen- und Tierarten finden sich hier. Brandenburg hatte erst nach längerem Zögern 2003 und nicht schon im Jahr 2000 das Landschaftsschutzgebiet als europäisches Fauna-Flora-Habitat-Gebiet an die Europäische Kommission gemeldet. Wirtschaftliche Erwägungen ließen das Land hier länger zögern. Fatalerweise könnten aus diesem Grund die Zahlungen aus EU-Strukturfonds in Milliardenhöhe ausgesetzt werden. Doch dies sein nur am Rande bemerkt.
Irgendwann soll in der Umgebung einmal ein riesiger Tagebausee entstehen, obwohl die Versauerung anderer verfüllter oder zu verfüllender Tagebaurestlöcher (die damit mehr oder weniger „biologisch tot“ sind) eine aktuell noch nicht wirklich gelöste Frage ist. Eisen- und Schwefelverbindungen oxidieren und lösen sich im Wasser. In der Folge sinkt der pH-Wert auf Werte zwischen drei und vier. Das Wasser wird sauer wie Essig. Tiere und Pflanzen können hier kaum überleben. Intakte Gewässer weisen Werte von etwa sechs auf.
Mit der globalen Klimaveränderung einhergehend wird die Niederschlagsmenge in Zukunft abnehmen. Probleme, die sich aus der Wasserknappheit ergeben, sind damit vorprogrammiert, denn schon heute fehlt das notwendige Wasser zu Flutung der Löcher, die die Kohle gerissen hat. Der Spreewald hat seinen Wasserreichtum ausschließlich dem Tagebau zu verdanken. Riesige Mengen Wasser aus notwendigen Grundwasserabsenkungen um an die Braunkohle zu gelangen flossen so in Spree und Havel. Sieben Tonnen Wasser und sechs Kubikmeter Abraum für eine Tonne Kohle. Heutzutage soll mit diesem Wasser aber Europas größte künstliche Seenlandschaft, die „Lausitzer Seeplatte“ geschaffen werden.
Bekanntermaßen gehört die Braunkohleverstromung mit zu den abgasintensivsten Wegen der Stromgewinnung. Das mit der Braunkohle betriebene Kraftwerk Jänschwalde, in dem auch die Verbrennung von Müll geplant ist, ist das älteste Kraftwerk in den neuen Bundesländern, dessen Betrieb nur mit einer Ausnahmeregelung möglich ist.
Sein Wirkungsgrad ist äußerst niedrig. Braunkohle ist ferner ein hochsubventionierter Energieträger (Gutachten des Umweltbundesamt: „Braunkohle ein subventionsfreier Energieträger?“). Die Emissionsmenge an Dioxinen und Quecksilber ist hier etwa 50 bis 500 mal höher als in einer vom Konzern betriebenen Müllverbrennungsanlage in Hamburg. Vattenfall gehört mit 1200 Gramm Kohlendioxid pro Kilowattstunde zu den fünf größten Kohlendioxid-Produzenten Europas. 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus Jänschwalde machen etwa 4 Prozent der Gesamtdeutschen Emission dieses Treibhausgases aus. Der Konzern Vattenfall ist mitverantwortlich für die enorm hohen und weiter steigenden Kohlendioxid-Emissionen weltweit.
Für die Vattenfall Europa AG ist Naturzerstörung ein lohnendes Geschäft. Gerade die ostdeutschen Braunkohlekraftwerke tragen erheblich zum Konzerngewinn bei. Obwohl die Kosten für die Verstromung der Braunkohle konstant blieben, erhöhte Vattenfall die Strompreise für die Bewag-Kunden Anfang 2005 um etwa 5 Prozent. Anfallende Kosten für die Beseitigung von Umweltschäden durch die Braunkohlegewinnung trägt wie so oft der Steuerzahler.
Wenn also „Umweltschutz bleibt Umweltschutz“ schon in Frage zu stellen ist, wie steht es dann um „Arbeitsplatz bleibt Arbeitsplatz“? Ein Schelm, der Böses dabei denkt…
Tipps zum problemlosen Wechsel des Stromanbieters gibt es in der nächsten Ausgabe.
Ralf Salecker