Tod an der Mauer
Am letzten Sonntag jährte sich der Bau der Berliner Mauer zum 45. Mal. Es wurde nicht nur in der Berliner Innenstadt die Teilung der Stadt in Ost und West zementiert, sondern auch mitten in Staaken, dessen westlicher Teil bereits zehn Jahre vor dem Mauerbau durch Einheiten von Volkspolizei besetzt worden war. Viele tragische Schicksale verbinden sich damit, Familien wurden auseinander gerissen, Arbeitsplätze mussten aufgegeben werden, Fluchtversuche scheiterten und manche endeten sogar tödlich. In Spandau gab es drei Todesopfer, kleine Gedenkstätten an den Orten erinnern an das damalige Geschehen. An Dieter Wohlfahrt (Bergstraße), Willi Block (Finkenkruger Weg) und Adolph Philipp (Oberjägerweg) gedachten die Spandauer Parteien mit Kranzniederlegungen.
Der Student Dieter Wohlfahrt kam 1961 beim Versuch , einer Frau, die in Staaken lebte, zur Flucht zu verhelfen, ums Leben. Die Frau hatte das Vorhaben verraten. Als die Fluchthelfer zur verabredeten Stelle zwischen Spandau und Staaken kamen, um den Sperrzaun zu durchschneiden, lauerten ihnen DDR-Grenzpolizisten auf und eröffneten das Feuer. Dieter Wohlfahrt wurde von einer Kugel ins Herzen getroffen und fiel zu Boden. Fast eine Stunde lang blieb der 20 jährige Mann im Grenzstreifen liegen, ohne dass ihm Hilfe zuteil wurde. Der Arzt, der schließlich herbei gerufen wurde, konnte nur noch seinen Tod feststellen.
1966 versuchte Willi Block, die Mauer zu überwinden. Es gelang ihm, einen Wachhund der Grenztruppen zu beruhigen und bis zum Kfz-Sperrgraben vorzudringen. Aber von einem Grenzturm aus wurden zwei Grenzsoldaten auf ihn aufmerksam, die nach dem Warnschuss Zielschüsse abgaben und ihm zuriefen, er solle zurückkehren. Er hatte sich aber mit seiner Kleidung im Stacheldraht verfangen. Der an die Fluchtstelle geeilte Kommandeur des 34. NVA-Grenzregiments gab zuerst mit seiner Pistole einige Schüsse auf den im Stacheldraht festhängenden Flüchtling ab, nahm dann seinem Fahrer die Maschinenpistole ab und feuerte mehrere Salven. Willi Block wurde tödlich getroffen, die Schüsse zerfetzten ihm die Lunge.
(1993 standen alle vor Gericht, der Stabschef und die beiden Grenzsoldaten wurden freigesprochen. Der Kommandeur, dessen Urteil auf eine dreijährige Haftstrafe wegen Totschlags lautete, ging in Revision; am 25. April 1997 wurde er rechtskräftig wegen Totschlags im minderschweren Fall zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt.)
Adolf Philipp wuchs in der Nähe von Augsburg, auf, kam 1963 nach West-Berlin, um als Facharbeiter hier sein Glück zu machen. Er war ein introvertierter Mensch, aber alles, was mit der Teilung der Stadt und dem Mauerbau zusammenhing, interessierte ihn offenbar sehr. In seiner Freizeit fuhr er oft an die Grenzanlagen, sah sich dort um und machte Fotos. Auch an Protestkundgebungen gegen die Mauer beteiligte er sich. In einer Nacht im Mai 1964 fuhr er mit dem Fahrrad in den Spandauer Forst, schnitt den Grenzzaun durch und begab sich auf DDR-Gebiet. Warum er das tat, ist nicht bekannt. Er selbst hat keine Erklärung hinterlassen. Grenztruppen- und Stasi-Berichten zufolge stellten zwei Grenzsoldaten die Fußspuren fest, die Adolf Philipp bei seinem Grenzübertritt verursacht hatte. Als sie diese Entdeckung melden wollten, wurden sie - ihren Angaben zufolge - plötzlich von einem Mann mit einer Pistole bedroht. Ohne zu zögern nahm einer der Grenzer seine Waffe und schoss aus nächster Nähe. Adolf Philipp hatte keine Chance. Er wurde mehrfach getroffen, erlitt zwei Herz- und Lungen-Durchschüsse und war vermutlich sofort tot.
Die Leiche wurde noch am gleichen Tag in Ost-Berlin obduziert. Einen Tag später überführten die DDR-Behörden den Toten nach West-Berlin und behaupteten, Adolf Philipp sei ein „Provokateur“ gewesen, der einen bewaffneten Anschlag auf die Grenze geplant hätte. In West-Berlin folgten eine zweite Obduktion und polizeiliche Untersuchungen, ohne dass der Fall restlos aufgeklärt werden konnte.
„An einem solchen Tag denke ich an die Kundgebung mit dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt vor dem Rathaus Schöneberg. Ich denke auch an die Wut und Trauer, die meine Eltern und ich hatten, weil wir für eine lange Zeit nicht mehr unsere Verwandten und Bekannten im Oststeil Berlins und in der DDR sehen konnten“ erinnerte sich Burgunde Grosse bei der Kranzniederlegung in Staaken.
red