Falkenseer Kurier - Wilde Tiere im Garten - 1. Der Ohrwurm
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Falkenseer Kurier - Wilde Tiere im Garten

Wilde Tiere im Garten

1. Der Ohrwurm

Man muss nicht unbedingt nach Afrika reisen, um wilde Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu bestaunen. Auch der heimische Garten oder Wald vor der Haustür bieten einen ansehnlichen und reichhaltigen Miniatur-Dschungel. Verschiedenste Kreaturen dieser Lebensräume sollen hier vorgestellt werden, wobei zunächst das Augenmerk auf die kleinsten Bewohner gerichtet sein soll, die zu oft unter der fälschlichen Bezeichnung „Schädling“ leiden müssen. Wie zum Beispiel der Ohrwurm (forficula auricularia). Nein, nicht der aus dem Radio. Dieses etwa 15 Millimeter lange mit gruseligen Mythen belastete – und deshalb auch als Ohrenkneifer bekannte – Insekt ist nämlich gar kein Wurm. Es hat sechs Füßchen und sogar gut verborgene, im Origamiverfahren gefaltete Flügel.

Zwischen November und März legen Ohrwurm-Weibchen etwa 50 bis 70 Eier in die eigens dafür angelegten 2 bis 3 Nestkammern mit unterschiedlichen Klimaverhältnissen. Recht ungewöhnlich für Insekten, kümmert sich die Ohrwurmmutter anschließend fast liebevoll um ihr Gelege. Die Eier werden immer wieder vorsichtig aufgenommen und mit den Mundwerkzeugen gereinigt und sortiert. Dadurch ist ein Schutz gegen Milbenbefall und Pilzen gegeben. Sie verteidigt ihre Eier wie eine Löwenmutter gegen Feinde. Nach etwa 4-5 Monaten schlüpfen den erwachsenen Tieren recht ähnlich sehende Larven, deren hungrige Mäuler die Mutter aufopferungsvoll mit herausgewürgter Nahrung stopft. Je nachdem, was Mama auf den nächtlichen Beutezügen erhascht hat, nehmen die durchsichtigen Kinder nach der Fütterung die Farbe der Nahrung an. Zwei Wochen lang muss sich die Mama so mit ca. 50 Kindern beschäftigen, dann gehen die kleinen Ohrwürmer ihre eigenen Wege. Sie häuten sich so lange bis sie ausgewachsen und mit Flügeln versehen sind. Die Ohrwurmmutter kann dann noch höchstens zwei weitere Bruten, die sie schon in ihren Samentaschen bewahrt, aufziehen, bevor sie vor Erschöpfung eingeht. Den nächsten Winter erlebt sie nicht mehr.

Der Bestand ist auch von männlicher Seite immer gut gesichert, da Ohrwurm-Männchen praktischerweise einen „Ersatzpenis“ haben, falls das oft körperlange Original abfallen sollte.

Obst befallen oder gar seine Eier in menschliche Gehirne ablegen, dazu ist der Ohrwurm aufgrund seiner viel zu schwachen Zangen am Hinterleib gar nicht in der Lage. Sollten Sie dennoch einen in Ihrem Apfel vorfinden, dann hat er sich in ein bereits gemachtes Loch gelegt.

Zwar vertilgen Ohrwürmer für ihr Leben gern junge Blätter, was so manchen Gärtner oder Hobbybalkonisten ärgern könnte, doch ist ihre Reproduktionsrate mit einer Generation pro Jahr viel zu gering um eine ernsthafte Bedrohung ganzer Bestände darzustellen. Findet man sie mal auf einer Blüte sitzend: meist lauern sie auf Blattläuse, verzehren auch bevorzugt Spinnmilben, Insektenlarven und –eier und ähnliches gärtnerisches „Untier“ – sehr nützliche Bewohner Ihres Blumenbeets also. Man ist schon dazu übergegangen diese Tiere als Nützlinge für eine Saison zu züchten. Haben sie dann Obstbäume und andere Pflanzen von Schädlingen befreit, so wandern sie weiter und suchen sich andere Plätze.

Falls Sie zu dem Entschluss kommen diesem possierlichen Tierchen einen Unterschlupf in Ihrem Garten gewähren zu wollen, um Ihre Blattlauspopulation und Co. in Grenzen zu halten, dann denken Sie bitte daran, dass diese nachtaktiven Geschöpfe Beleuchtung jeglicher Art meiden und Wärme und Bodennähe, Bäume und Sträucher bevorzugen. Der besagte Blumentopf, mit Stroh gefüllt als Nachtquartier, muss unbedingt zum Stamm Kontakt haben.

Gerne nehmen wir über dieses Tierchen von Ihnen, lieber Leser, weitere Informationen und Erfahrungen auf. Auch neuen Ideen für ihre Unterkünfte stellen wir dann gerne vor.

kg/kt
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